Ein Plädoyer für das Spiel

Kommt, lasst uns spielen!

Kinder spielen bis zu 15.000 Stunden bzw. bis zu 7 Stunden am Tag in den ersten sechs Lebensjahren. Sie entdecken damit ihre Welt, lernen motorische Fähigkeiten und soziale Kompetenz. Ab der Pubertät lässt der Spieltrieb, die Lust und Freude am Spielen, nach. Wenn wir allerdings das Theaterspiel oder das Gedankenspiel betrachten, dann spielen durchaus auch Menschen im reiferen Alter. Was steckt hinter dem Phänomen Spiel?

Spiel, aus dem Althochdeutschen spil für „Tanzbewegung“, ist eine Tätigkeitsform, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung ausgeführt werden kann. Es ist eine Beschäftigung, die als spielerische Auseinandersetzung allein oder in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird. Das Spielen ist zweckfrei. Wir spielen des Spielens wegen, ganz frei von Konventionen und Angst.

Im Buch „Rettet das Spiel“ von Gerhard Hüther und Christoph Quarch halten die Autoren ein Plädoyer für das Spiel: Spielen ist nach Hüther die Erkundung des Möglichen. Das zweckfreie Spiel als offener Trainingsraum lädt ein zum Ausprobieren und Experimentieren. Und dabei lernen die Spielenden intensiver als beim fokussierten Arbeiten. Wenn der Mensch bspw. Vokabeln lernt oder eine andere zielgerichtete Tätigkeit ausübt, ist nur ein kleiner Teil im Gehirn aktiv. Beim Spielen öffnen sich alle neuronalen Netzwerke. Die Synapsen sind empfangsbereit. Beim Spielen, beim zweckfreien Tun, dem Experimentieren mit offenem Ausgang, können wir mit Leichtigkeit neue Verknüpfungen im Gehirn bilden. Das ist Kreativität.

Beim Spiel erleben wir Flow-Momente. Ob groß oder klein, wir tauchen ein in eine andere Welt, Handlung und Bewusstsein verschmelzen. Mihály Csíkszentmihályi, emeritierter Psychologie-Professor an der Universität von Chicago, beschrieb bereits 1975 das Flow-Erleben im Spiel. Beim Flow ist der Mensch seiner Handlung aber nicht mehr sich selbst bewusst. Der Spielende geht im Siel vollkommen auf und vergisst sich dabei selbst.

„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ -Friedrich Schiller-

Mit dem Spiel erlernen wir neue Verhaltensweisen. Ein Model dazu bietet hier Jean Piaget, Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie. Er beobachtete seine Kinder und entdeckte dabei, wie das Spiel zur Weiterentwicklung und Wissensaneignung beiträgt. Er entwarf dabei folgendes Model: Unsere individuellen Wissensnetzwerke stellte er als Schemata da, nach denen wir handeln und urteilen. Durch Assimilation und Akkomodation lernen wir dazu und passen damit unsere Denkmuster an. Akkomodation bezeichnet die Erweiterung und Anpassung der bestehenden Schemata, Assimilation betrifft die Eingliederung neuer Erfahrungen bzw. andere Reize aus der Umwelt in das Bekannte.

Kinder entdecken so Ihre neue Welt, erweitern stetig ihre Schemata und lernen in einem rasanten Tempo dazu. Sie lernen im sensomotorischen Spiel ihre Fingerfertigkeit, entwickeln im „als-ob-Spiel“ (Symbolspiel) und in Rollenspiel ein Bezug zu anderen Wirklichkeiten und erfahren ab einem Alter von 6 Jahren im Regelspiel was die Welt zusammenhält. Beim Regelspiel werden verschiedene Regeln ausprobiert und gesellschaftliche Zusammenhänge bereits im Kindesalter erlernt.

Das Spiel ist eines der ältesten Kulturtechniken des Menschen und tritt in allen Kulturwelten auf. Nach Johan Huizinga, ein niederländischer Kulturhistoriker, gab es den homo ludens – der spielende Mensch bereits vor dem Homo sapiens. Der homo ludens entwickelte aus spielerischen Verhaltensweisen seine Kultur, Politik und Wissenschaft. Durch Ritualisierung und Institutionalisierung wurde aus dem Spiel irgendwann ernst.

Nach wie vor, ob groß oder klein, kann das Spiel und die spielerische Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten dazu dienen, dass wir dazu lernen, uns weiterentwickeln, neues entdecken. Es ist eine Einladung über das Kindesalter hinaus, zu spielen. Es ist eine Einladung der Kreativität einen Raum zu geben. Es ist die Einladung die vielfältigen Möglichkeiten insbesondere bei komplexen vielschichtigen Herausforderungen vollkommen zweckfrei zu erkunden umso fokussiert die beste Lösung zu finden. In diesem Sinne – kommt, lasst uns spielen!

 

 

PS: am 11.09.2019 lädt das Konnektiv62 zum Spielen ein – zum Ausprobieren und Erkunden mit Hilfe des Improvisationstheaters: Die Schönheit des Ungeplanten #1. Weitere Informationen findest du bei Eventbrite. Weitere Termine und Themen zum Impovisationstheater sind die folgenden:

  • 09.10.2019 – ImproKurs: die Schönheit des Ungeplanten #2 – Scheiter Heiter! Gelassen mit Fehlern umgehen.
  • 13.11.2019 – ImproKurs: die Schönheit des Ungeplanten #3 – Just Play! Das innere Kind nach außen kehren – die eigene Inspirationsquelle anzapfen – die Welt als Spielplatz begreifen.
  • 11.12.2019 – ImproKurs: die Schönheit des Ungeplanten #4 – Storytelling! Jeder hat eine Geschichte zu erzählen – den Autobiographen in sich wach rütteln.
  • 15.01.2019 – ImproKurs: die Schönheit des Ungeplanten #5 – Status, Macht und Unterwürfigkeit! Die eigenen Rollen sowie die der anderen erkennen und mit ihnen spielen.
  • 12.02.2019 – ImproKurs: die Schönheit des Ungeplanten #6 – Deine Stimme zählt! Den Umgang mit der eigenen Stimme bewusst machen – gelassen und authentisch auftreten.

 

 


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