Von der Konkurrenz zur Kollaboration

Von der Konkurrenz zur Kollaboration

was wir als neues Narrativ von der Natur lernen dürfen

Kollaboration. Zusammenarbeit. Im Unternehmen selbst ist es gängige Praxis. Doch über den eigenen Tellerrand hinweg türmt sich die Firewall der eigenen Server auf. Wieso, weshalb, warum? Was steckt hinter dem Wort Kollaboration?

In Abgrenzung zum Wort Kooperation erarbeiten Personen und Teams bei der Kollaboration gemeinsame und sequentiell die Ergebnisse. Sie sind fortlaufend am Projekt beteiligt. Im Gegensatz zur Kooperation. Hier sind Personen oder Teams parallel (für sich) tätig und fügen anschließend die Teilergebnisse zusammen.

Kollaboration innerhalb des Unternehmens

Im Unternehmen selbst scheint die Kollaboration mit dem Einzug agiler Herangehensweisen Alltag. Die Zusammenarbeit über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg zum Wohle des Unternehmens und des Unternehmenszwecks funktioniert, bei dem einen besser bei dem anderen noch mit Optimierungsbedarf. In Form von Workshops und Design Sprints können die Unternehmen die Diversität und die kollektive Intelligenz ihrer Belegschaft nutzen und ihre komplexen Herausforderungen gemeinsam meistern. So ist es in einem gelungenen Projekt in Co-Kreation der Ostsächsischen Sparkasse Dresden geschehen.

CASESTUDY: von der üblichen Leistungsbeurteilung hin zu einem Team-KOMPASS

Die Gespräche zwischen Führungskraft und Beschäftigte:r sind in den meisten Betrieben einmal im Jahr an der Tagesordnung, so auch in der Ostsächsischen Sparkasse Dresden (OSD).

Diese kleine Geschichte handelt vom Neugestalten der herkömmlichen Feedbackprozesse, es handelt von Co-Kreation und es thematisiert die unglaublichen Vorteile, die daraus entstehen. Zu Beginn des Projektes stand der Auftrag, neue Kompetenzen und neues Feedback miteinander nutzerorientiert zu verbinden. Ein kleines Team von zwei Personen nahmen sich diesen an und koordinierten die Kollaboration innerhalb der OSD. Mit verschiedenen Workshops und Design Sprints formten sich Ideen, Prototypen und Erkenntnisse. Gearbeitet wurde divers über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg. Getroffen haben sich die Beschäftigten auf Augenhöhe. Das kleine interne Koordinationsteam trug die Ergebnisverantwortung, vollführte die transparente durchgängige Kommunikation und leistete den unglaublichen Koordinierungsaufwand. Am Ende nach unzähligen Testphasen und 1,5 Jahre später standen ein neues Format von jährlichen Feedbackgesprächen und ein neuartiges Format für Feedback in Teams. Und mit Beteiligung einiger freiwilliger Mitarbeiter:Innen am Schaffungsprozess konnten bereits 5% der Belegschaft begeistert werden.

Was hat dieses Projekt der Co-Kreation so erfolgreich gemacht?

  1. Die klare Ergebnisverantwortung in einem kleinen Team mit sehr konkreten Vorgaben: das altgediente Format des Beurteilungsgesprächs sollte in einem angegebenen Zeitraum ausdienen, ohne Zurücktaste.
  2. Das Rahmenwerk für Workshopdesigns und Design Sprints: in einem Kreativprozess konnten sich alle Beteiligte auf Augenhöhe treffen, Sichtweisen abgleichen und gemeinsam Ideen kreieren und verwirklichen.
  3. Die Freiwilligkeit der Beteiligten: es waren genau die richtigen Menschen am richtigen Ort um mitzuwirken.

Vielen Dank, Beate und Dietrich für diese Story!

Dietrich erzählte mir auch, dass eine Zusammenarbeit unternehmensübergreifend zum Beispiel mit anderen Geldinstituten wenig genutzt wird. Die Notwendigkeit besteht hierfür bisher nicht.

Kollaboration über die eigenen Grenzen hinweg

Was braucht es, um Kollaboration dort stattfinden zu lassen, wo die eigene Domain aufhört? Wie können auf den Märkten konkurrierende Unternehmen gut zusammenarbeiten?

Machen wir einen Schwenk zu den eben stattgefundenen Olympischen Spielen. Athleten treten gegeneinander an. An der Startlinie ist jeder für sich, in voller Konzentration. Nach dem Ziel kann man beobachten, wie sich anfangs konkurrierende Sportler:innen in den Armen liegen und sich füreinander freuen.  Kann die Wirtschaft sich davon nicht etwas abschauen?

Da sind einige offensichtliche und nicht so offensichtliche Hürden:

  • Die rechtlichen Rahmenbedingungen: Unternehmen sind als rechtliche Einheit voneinander abgegrenzt und es brauch vertragliche Vereinbarungen hinsichtlich Aufteilung der Kosten und Erlöse wie auch zum Schutz der eigenen Daten. Vertragsverhandlungen können den Prozess erheblich erschweren und verlangsamen.
  • Unternehmenskultur: Jedes Unternehmen spricht seine eigene Sprache, hat seine eigenen Rituale und seine eigene Kultur.
  • Interessenskonflikte und fehlendes Vertrauen: Die Spieltheorie zeigt uns verschiedene Szenarien, in denen Kooperation mit einer partizipativen weniger lukrativ ist. Die Theorie des Homo Economicus lässt uns denken, jede:r ist sich selbst der nächste.

Wir sind sozialisiert mit den Theorien des Darwinismus. Der Stärkere setzt sich durch. Dieses Narrativ hat unser Konkurrenzverhalten tief geprägt. Doch schauen wir genauer in die Natur zu anderen Studien, ergibt sich ein neues Bild.

Kollaboration in der Natur als Schlüssel für komplexe Evolution

Schauen wir in den Wald, im Zusammenspiel von Baum, Pilze und Bakterien. Wenn der Baum modrig wird, zersetzen Pilze das Totholz. Für diesen wichtigen Abbau-Prozess benötigen die Pilze viel Stickstoff, den die Bakterien liefern. Im Gegenzug dürfen die Bakterien von den von den Pilzen produzierten Zucker naschen. Es ist ein perfektes Zusammenspiel.

Die Forscherin Lynn Margulis (1938-2011) stellt eine auf eine umfassende Empirie gestützte vermeintlich andere Theorie zum Darwinismus auf: Symbiosen und Kooperationen sind in der Natur nicht die Ausnahmen, sondern die Regel. In zahlreichen Arbeiten zur Wechselwirkung verschiedener Mikroorganismen lieferte sie immer mehr Evidenz hierfür. Tatsache ist, Symbiogenese ist der Ursprung aller höheren Lebensformen. Während bei der ursprünglichen Annahme der Evolutionstheorie keine neuen Arten entstehen, fand Margulis heraus, dass sprunghaften Schritte in der Evolution nur durch Kooperation und Symbiose möglich waren. Erwiesen war mit ihrer Theorie, dass durch die Entstehung neuer Verbindungen Gesamtsysteme plötzlich ganz anders funktionieren, als wenn die Einzelelemente parallel nebeneiandern und unabhängig voneinander graduell evolvieren.

Die Nature hat die Erde nicht durch Wettkampf, sondern durch Kooperation und Kollaboration erobert. Durch die Kooperation entsteht ein neuer Gesamtorganismus, im dynamischen Geschehen der Evolution ein neuer Akteur.

FAZIT: Was können wir darauf lernen?

Die rechtlichen Hürden wie auch das Einschwingen in eine gemeinsame Kultur und Sprache ist machbar. Der erste Schritt ist allerdings das Loslassen alter Glaubensrichtungen, das Aufgeben von Konkurrenzgebarren. Wie ist dein Bild von der Wirtschaftswelt? Nimmst du Konkurrenz oder Zusammenarbeit wahr? Tendierst du eher zur Aussage „der Stärkere setzt sich durch“ oder glaubst du an die Symbiose aller Akteure?

Und dann lade ich ein auf ein Experiment: Wie wäre es mit einem ersten Austausch einer vermeintlich konkurrierenden Firma? Wie wäre es mit dem Teilen von Best Practices und der Unterstützung von anderen? Wir wäre es mit einer gemeinsamen Bearbeitung eines Projektes oder Auftrag? Teilweise gibt es das schon, sei es bei den verschiedenen Gewerken im Baugewerbe oder in der Bearbeitung von forschungsintensiven Produkten.

Und doch glaube ich, dass wir auch hier und in anderen Branchen die zugrunde liegende Einstellung überdenken können. Lasst uns die Symbiose auch im Wirtschaftsleben zur Regel und nicht zur Ausnahme machen können. Was daraus entstehen kann? Alles was die Fantasie entwickelt.